Die Lungenfibrose (Versteifung der Lunge durch vermehrte Ablagerung von Bindegewebe) ist die Haupttodesursache der systemischen Sklerodermie.
Ca. 65% der Patienten/-innen entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine Lungenfibrose. Manche Betroffene mit Lungenfibrose zeigen keine Symptome, andere entwickeln eine schwere und fortschreitende Luftnot.
In einer aktuellen Übersichtsarbeit werden konkrete Empfehlungen zur Diagnose, Verlaufsdiagnose und Therapie gegeben, konkret: wann und in welchem Stadium bei Sklerodermie-bedingter Lungenfibrose welche Medikamente (allein oder in Kombination) und ergänzend, welche zusätzlichen Massnahmen empfohlen werden.
Diagnose und Verlaufsuntersuchungen
Folgende Autoantikörper im Blut bedeuten ein erhöhtes Risiko für eine fortschreitende Lungenfibrose der Sklerodermie: anti-Scl 70 (= anti Topoisomerase I), anti-PM/Scl-75, anti-PM/Scl-100, anti-Th/To, anti-U3-RNP/Fibrillarin, anti-RNA-Polymerase oder anti-NOR-90-Antikörper.
Für die Frühdiagnose der Lungenfibrose wird ein hochauflösendes CT (HRCT) in Bauchlage empfohlen. Die alleinige Messung der Lungenfunktion einschliesslich Messung des Gasaustausches für Kohlenmonoxid (DLco) ist für die Frühdiagnose der Lungenfibrose der Sklerodermie nicht ausreichend.
Jeder Sklerodermiepatient mit frisch gestellter Diagnose einer beginnenden Lungenfibrose im HRCT soll eine vollständige Messung der Lungenfunktion sowie einen 6-Minuten Gehtest (Messung der individuell möglichen maximalen Gehstrecke innerhalb von 6 Minuten) erhalten.
Bei Patienten mit beginnender Lungenfibrose sollten in den ersten 3 bis 5 Jahren alle 6 Monate Verlaufskontrollen der Lungenfunktion durchgeführt werden, um ein Fortschreiten der Lungenfibrose frühzeitig zu erkennen. Danach bei stabilem Befund einmal pro Jahr.
Bei Patienten mit rascher Progression der Lungenfibrose sollten die Verlaufskontrollen alle 4 Monate erfolgen, bis zur Stabilisierung der Lungenbeteiligung infolge Therapie .
TherapieZu den bisherigen medikamentösen Therapien der Lungenfibrose der Sklerodermie (Cyclophosphamid und Mycophenolat mofetil) kamen 2019 und 2021 zwei neue Medikamente hinzu, deren Wirksamkeit in klinischen Studien nachgewiesen werden konnte: Nintedanib (Handelsname OFEV) und Tocilizumab (Handelsname Actemra).
Bei allen Sklerodermiepatienten mit Lungenfibrose, die noch keine klinischen Symptome zeigen (Frühstadium) , die aber ein erhöhtes Risiko für ein Fortschreiten des Lungenbefalls haben, sowie bei allen Patienten mit symptomatischer Lungenfibrose wird heute eine frühzeitige medikamentöse plus nicht-medikamentöse Therapie empfohlen. Nach gegenwärtiger Studienlage kann es gelingen, das Fortschreiten der Lungenfibrose zu verhindern, wenn früh genug mit der Therapie begonnen wird. Hierzu gehören insbesondere Patienten mit subklinischer Lungenfibrose und progressivem Hautbefall, Patienten mit anti Scl70 Antikörpern im Blut und/oder einem erhöhtem CrP (Akutphase-Protein) im Blut.
Für die Therapie der Lungenfibrose wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen:
1. Tocilizumab bei allen Patienten ohne klinische Symptomen (Luftnot bei Belastung, Husten), aber mit hohem Risiko für eine Progression der Lungenfibrose
2. Nintedanib plus Mycophenolat mofetil bei allen Patienten mit klinischen Symptomen der Lungenfibrose (Luftnot bei Belastung, Husten), aber ohne ausgeprägte Beteiligung der Haut und / oder des Bewegungsapparates
3. Tocilizumab, Cyclophosphamid oder Mycophenolat mofetil bei allen Patienten mit klinischen Symptomen der Lungenfibrose (Luftnot bei Belastung, Husten) und zusätzlicher Beteiligung der Haut und / oder des Bewegungsapparates.
4. Nintedanib plus Mycophenolat mofetil bei zusätzlich rascher Progression der Hautbeteiligung und / oder des Bewegungsapparates
5. Schreitet die pulmonale Symptomatik trotz der genannten Therapien fort, kommen weitere Kombinationstherapien infrage (Mycophenolat mofetil plus Tocilizumab, Mycophenolat mofetil plus Rituximab) eventuell eine Stammzelltransplantation
6. Versagen auch diese Strategien, sollte eine Lungentransplantation erwogen werden.
Empfohlen wird, die genannten medikamentösen Therapien bei Wirksamkeit und Verträglichkeit mindestens für die Dauer von 5 Jahren fortzuführen. In Abhängigkeit vom Grad der pulmonalen Störung kann geprüft werden, ob nach Stabilisierung der Lungenfibrose eine Dosisreduktion der eingesetzten immunmodulierenden und antifibrotischen Medikamente möglich ist.
Nach Stopp der Medikation ist eine engmaschige Nachüberwachung notwendig (Kontrolle der Lungenfunktion alle 6 Monate für 1 bis 2 Jahre, danach jährlich), um eventuelle erneute Verschlechterungen der Lungenfibrose frühzeitig zu erkennen.
Unterstützende Therapien und weitere Massnahmen
Zusätzlich zu den genannten medikamentösen Verfahren werden unterstützende Massnahmen empfohlen. Hierzu gehören:
- Schulungsmassnahmen zum besseren Verständnis der Probleme bei Lungenfibrose
- Sofortiger Stopp von schädlichen Drogen einschliesslich Nikotin
- Impfungen gegen Grippeviren, Pneumokokken und Corona-Viren
- Massnahmen der pulmonalen Rehabilitation*
- in schweren Fällen Sauerstofftherapie (Sauerstoffsättigung im Blut unter 88%)
* aus eigener Erfahrung haben sich bei den nicht-medikamentösen Therapien bei Sklerodermie-bedingter Lungenfibrose besonders die reflektorische Atemtherapie und der Lungensport sowie das häusliche Atemtraining bewährt, einschliesslich neuer apparativer Verfahren (Heimtraining mit dem STmedical oder mit dem Powerbreath medic plus).
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