Sklerodermie und Probiotika
- mbuslau
- 8. Juni
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Aktualisiert: 10. Juni

Sklerodermie-Patienten weisen nach neuen Erkenntnissen noch vor dem ersten Auftreten gastrointestinaler Symptome (z.B. Völlegefühl, Blähungen, Durchfall, Verstopfung) Veränderungen ihrer Darmflora auf. Diese sogenannte Dysbiose ist durch ein Zuwenig an bestimmten "gutartigen" Bakterienstämmen und Hefen und ein Zuviel von potenziell "pathogenen" Bakterienstämmen gekennzeichnet. Dieser Befund ist umso überraschender, als bislang die nachlassende Darmmotilität im Rahmen der systemischen Sklerodermie als primäre Ursache für die Überwucherung des Darms mit schädlichen Darmkeimen angesehen wurde.
Es mehren sich nunmehr die Hinweise, dass die Verschiebung in der Zusammensetzung der Darmflora direkte Wirkungen auf die neuro-muskuläre Signalübertragung in der Darmwand der Betroffen hat, der Dysbiose also eine direkt schädigende Wirkung im Rahmen des Krankheitsgeschehens der Sklerodermie zukommt. Hieraus erwächst die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, bereits in einem frühen Stadium der Sklerodermie in die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms therapeutisch einzugreifen?
Präbiotika: Zum einen besteht die Möglichkeit, durch die Aufnahme faserreicher pflanzlicher Nahrungsmittel (im Wesentlichen Obst- und Gemüse) die Stoffwechselaktivität der "gutartigen" Darmbakterien zu fördern, wobei sich hierbei der Inhaltsstoff Inulin als besonders förderlich erwiesen hat. Es gibt ferner Hinweise, daß neben dem Wechsel zu einer mehr pflanzenbasierten Ernährung auch eine glutenfreie Kost die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms unmittelbar verändern und das Wachstum nützlicher Bakterien fördern kann. Ebenso konnte gezeigt werden, dass Lebensmittel wie Joghurt, Kefir und Sauerkraut das Darm-Mikrobiom positiv beeinflussen können.
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, deren Zufuhr z.B. als Nahrungsergänzungsmittel die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms positiv beeinflussen können. Probiotika haben sowohl für die Gesundheit allgemein als auch für Autoimmunkrankheiten wie der Systemischen Sklerodermie eine grosse Bedeutung. Gesundheitsvorteile ergeben sich zum einen durch eine Stärkung des Immunsystems (Immunmodulation, Aktivierung von Makrophagen, Erhöhung der Produktion von sekretorischem Immunglobulin A), zum anderen durch die Unterstützung der Verdauung, Konkurrenz mit pathogenen Keimen um Nährstoffe und Stärkung der Darmbarriere.
Probiotika führten, wie die Auswertung verschiedener Studien zeigen konnte, bei Patienten mit systemischer Sklerodermie zur Linderung gastrointestinaler Symptome wie Blähungen, Reflux und Durchfall. Damit verbunden war eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten, insbesondere bei Patienten mit einer Dünndarm-Fehlbesiedlung (engl.: Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO)). SIBO-Patienten hatten weniger gastrointestinale Symptome, wenn die Gabe von Metronidazol mit dem Probiotikum Saccharomyces boulardii, einem nicht krankmachendem Hefestamm kombiniert wurde.
Einige Studien konnten ausserdem zeigen, dass Probiotika eine immunregulatorische Wirkung haben können, wie z. B. die Reduktion von T-Helfer-17-Zellen (Th17), die mit Entzündungsprozessen in Verbindung stehen. Dies könnte eine Rolle bei der Behandlung von Sklerodermie-Patienten spielen.
In der hier zitierten Übersichtsarbeit wurden vier Studien ausgewertet, die die Wirkung von Probiotika bei Patienten mit systemischer Sklerodermie untersucht haben.
1. Frech et al. (USA): Tägliche Einnahme von Probiotika (Bifidobacterium infantis oder Lactobacillus GG) über 2 Monate. Ergebnisse: Signifikante Verbesserung der gastrointestinalen Symptome wie Blähungen und Distension (Überdehnung des Darms).
2. Marighela et al. (Brasilien): Tägliche Einnahme von Probiotika (Lactobacillus paracasei, L. acidophilus, L. rhamnosus, Bifidobacterium lactis) versus Placebo über 8 Wochen.
Ergebnisse: Verbesserung der gastrointestinalen Symptome in beiden Gruppen, aber nur die Probiotika-Gruppe zeigte eine Reduktion von Th17-Zellen.
3. Low et al. (Singapur): Tägliche Einnahme von Probiotika über 120 Tage (Placebo für die ersten 60 Tage, gefolgt von Probiotika für die restlichen 60 Tage). Ergebnisse: Nach 120 Tagen zeigten die Probiotika eine Verbesserung der Reflux-Symptome und eine erhöhte Diversität der Gesamtheit der Darmbakterien.
4. García-Collinot et al. (Mexiko): Tägliche Einnahme von Saccharomyces boulardii (eine nicht krankmachende Hefe) allein oder in Kombination mit Metronidazol im Vergleich zu einer Monotherapie mit Metronidazol. Ergebnis: Die Kombinationstherapie war effektiver bei der Verbesserung von gastrointestinalen Symptomen wie Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall bei Patienten mit bakterieller Dünndarmüberwucherung (SIBO).
Die in den Studien am Häufigsten verwendeten und empfohlenen Probiotika-Stämme für Patienten mit Systemischer Sklerodermie waren Bifidobacterium- und Lactobacillus-Arten sowie Saccharomyces boulardii. Die empfohlene Dauer der Probiotika-Einnahme in den Studien lag zwischen 2 Monaten und 4 Monaten. Die genaue Dauer sollte jedoch individuell angepasst werden, abhängig von der Schwere der Symptome, dem spezifischen Probiotikum und der Reaktion des Patienten auf die Behandlung. Die Dosierung hängt von der Art des Probiotikums ab und reicht von 10⁹ Kolonie-bildenden Einheiten (KBE) bis 18 × 10¹¹ KBE täglich für Bakterienstämme und 200 mg zweimal täglich für Saccharomyces boulardii. Die genaue Dosierung sollte individuell angepasst und idealerweise unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Zusammenfassend zeigen die Studien, dass Probiotika im Allgemeinen gut verträglich sind und bei Patienten mit systemischer Sklerodermie gastrointestinale Beschwerden lindern können. Probiotika haben möglicherweise bei Sklerodermie auch positive Wirkungen auf das Entzündungsgeschehen. Noch ist unklar, welche Probiotika sich im Einzelfall bei Sklerodermie (Stichwort: individualisierte Medizin) als besonders wirksam erweisen. Hier ist weitere Forschung angezeigt. Es wird auch darauf hingewiesen, dass bei immunsupprimierten Patienten Vorsicht geboten ist, da Probiotika in seltenen Fällen Infektionen verursachen und eine Dysbiose verschlimmern könnten, indem sie das Gleichgewicht des Darm-Mikrobioms beeinflussen.
Quellen:
oo
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